Musst Du als Ingenieur programmieren können?

Interview mit dem Maschinenbauingenieur Dennis Rathmann

Tim Lamkemeyer
Eine Person vor einem Laptop am programmieren.

In seinem Podcast ROCKETENGINEERS spricht Lennard Hermann alle 2 Wochen mit erfahrenen Ingenieuren, Führungskräften oder Beratern über die wichtigsten Learnings auf ihrem Berufsweg. Lennard hat an der RWTH Aachen mit einem Zwischenstopp in Kanada Maschinenbau studiert und arbeitet aktuell als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Fertigungstechnik.

Dennis Rathmann

Dennis Rathmann

Diese Woche erfahrt Ihr von Dennis Rathmann, Maschinenbauingenieur in der Fertigungsentwicklung und im Vertrieb, ob Ingenieure in Zukunft durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden können und welche Fähigkeiten Ihr Euch aneignen solltet, damit Ihr Euch flexibel auf die veränderten Arbeitsabläufe im Ingenieurwesen einstellen könnt.

Experten-Tipp: Konzentrier Dich im Studium auf die Grundlagen, alles Weitere lernst Du im Job

ROCKETENGINEERS: "Wenn ich an mein Studium zurückdenke, habe ich genau ein halbes Jahr gelernt, wie man mit Java programmiert. Ich kann davon jetzt fast nichts mehr und hätte mir gewünscht, dass wir das damals mehr gelernt hätten, weil man das ja inzwischen oft zu den Kernkompetenzen von Ingenieuren zählt – auch wenn ich es heute nicht wirklich brauche. Meinst Du, dass Ingenieure heute programmieren können müssen?"

Dennis Rathmann: "Das stimmt schon. Der Ruf danach, dass Ingenieure programmieren können müssen, ist definitiv da. Aber wie Du gerade gesagt hast: Du brauchst es aktuell nicht, ich brauche es aktuell auch nicht und ich werde es wahrscheinlich auch nicht mehr anwenden, weil ich es auch nicht gelernt habe. Ich glaube, dass es zwar immer mehr wird: Dass Du trotzdem noch einen Ingenieur-Berufs kriegen kannst, dafür musst Du aber nicht zwingend programmieren können. Wenn Du es kannst oder Dein technisches Studium noch mit dem Programmieren, Internet-Security oder IT-Ethik kombinierst, bist Du natürlich ein noch gern gesehener Ingenieur auf dem Markt und hast noch bessere Berufschancen. Aber ich glaube nicht, dass Du es zwingend brauchen wirst.

Es wird immer noch den Ingenieur geben, der nicht programmieren kann, genauso wie es immer noch die Ingenieure gibt, die etwa nicht konstruieren können. Sicher ist es eine riesen Unterstützung, wenn man das kann und mit seinem technischen Studium kombiniert, dann wird man noch interessanter auf dem Markt. Viel wichtiger ist für mich aber das Verständnis hinter Systemen und das bringst Du als Ingenieur ja in der Regel mit und dann reichen auch die IT-Grundlagen aus Deinem Bereich für die Arbeit aus."

So setzt Du es um

Unter dem Stichwort der hybriden KI werden Mensch und Maschine in Zukunft immer enger zusammenarbeiten. Auf den ersten Blick erscheint es für viele junge Ingenieure also sinnvoll, schon im Studium möglichst viele IT-Zusatzkurse zu belegen, um gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Doch das ist nicht wirklich sinnvoll. Als junger Ingenieur musst Du nicht zwingend in der Lage sein, Roboter zu programmieren und genau die gleichen Jobs wie Informatiker ausführen zu können. Viele relevante Kenntnisse erlernst Du sowieso häufig im Job und solltest Dich im Studium zunächst auf die wirklich für Ingenieure relevanten Basics wie die Konstruktion, Mathematik oder Strömungslehre konzentrieren. Ein kleiner Blick über den Tellerrand Deiner Kerntätigkeiten hinaus kann sich für Dich trotzdem immer lohnen – egal, ob er etwa in Richtung IT, Marketing oder BWL geht.

Die einzelnen Abteilungen von Ingenieur-Unternehmen rücken immer weiter zusammen und manche Aufgaben lassen sich nicht mehr nur genau einem Fachbereich zuordnen, sondern erfordern Schnittstellen, z. B. zwischen der Produktion und der Programmierung einer Fertigungsstraße, zwischen dem technischen Vertrieb und dem Marketing oder zu betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten wie der Prozessoptimierung. Als Ingenieur musst Du bei solchen interdisziplinären Aufgaben natürlich kein IT- oder BWL-Experte sein. Interdisziplinäre Projekte leben gerade davon, dass Mitarbeiter aus verschiedensten Bereichen zusammenkommen und von dem Wissen des jeweils anderen profitieren.

Auf der anderen Seite solltest Du Dich aber natürlich auch mit Deinen Kollegen aus anderen Fachbereichen fachspezifisch verständigen können und die Grundlagen ihrer Arbeit verstehen. Um einen Überblick über andere Fachbereiche in Deinem Unternehmen zu bekommen, kannst Du Dir beispielsweise BWL-Podcasts anhören, Dir bei YouTube Tutorials zum Programmieren anschauen oder – sofern Du gerade noch studierst oder auf der Suche nach Deinem ersten Ingenieur-Job bist – über den Einstieg als Trainee nachdenken, in dem Du in mehrere Abteilungen Deines zukünftigen Arbeitgebers hineinschauen kannst. Wenn Du Dich gerade noch am Anfang Deines Studiums befindest, aber schon ganz genaue Vorstellungen von Deiner beruflichen Zukunft hast, kannst Du aber auch die Angebote Deiner Uni nutzen, Einsteigerkurse in ingenieurfremden Disziplinen belegen und Dir die Grundlagen verschiedener Fachbereiche aneignen.

Das ganze Interview im Podcast hören

Dennis Rathmann vertritt die Einstellung, dass Du auch ohne besondere IT-Kenntnisse ein erfolgreicher Ingenieur werden kannst. Welche Skills Du aus seiner Sicht aber unbedingt brauchst, erfährst Du in Folge #19 im ROCKETENGINEERS-Podcast:

DARUM GEHT'S IN FOLGE #19:

  • 02:00 – Wie sieht der Ingenieur-Beruf in Zukunft aus?
  • 05:50 – Muss man als Ingenieur programmieren können?
  • 11:45 – Werden Ingenieure irgendwann weg-automatisiert?
  • 16:20 – Welche IT-Kenntnisse braucht man als Ingenieur?