Predictive Maintenance mit KI
Gekonntes Krisenmanagement hin oder her – am besten ist es natürlich, wenn Maschinen und Anlagen langfristig störungsfrei funktionieren. Dafür ist ihre regelmäßige Wartung essenziell. Aber starre Wartungsintervalle waren gestern: Predictive Maintenance gilt heute als der Königsweg. KI-unterstützt zählt sie zu den Säulen, die die Industrie 4.0 zu einer wirklich „smarten“ Industrie machen. Welchen Mehrwert Predictive Maintenance hat und wie sie KI-gestützt ihr volles Potenzial entfaltet, erfährst Du hier.
Predictive Maintenance vs. Preventive Maintenance
Predictive Maintenance, auf Deutsch also die „vorausschauende Wartung“, soll Maschinenausfälle verhindern – und das so kosteneffizient wie möglich. Die Idee ist, die Wartung nicht an starre Intervalle zu koppeln, wie bei der sog. „vorbeugenden“ oder „präventiven Instandhaltung“ (Preventive Maintenance). Vielmehr sollen flexibel und eben vorausschauend mittels genauem Monitoring Wartungsbedarfe erkannt werden, um so rechtzeitig zielgerichtet einzugreifen, falls sich Probleme abzeichnen. Auch unnötige Wartungen, nur weil es einem festen Zeitplan entspricht, werden so vermieden. Das Ziel ist, den Bedarf an „reaktiver Wartung“ zu minimieren. Das ist nämlich im Wesentlichen dann die Reparatur und damit notwendig, wenn es häufig schon zu spät ist: Diese Maßnahme wird erst als Reaktion auf ein Problem (im schlimmsten Fall dem Ausfall einer Anlage) durchgeführt und ist damit unvorhersehbar und häufig teuer.
Wie so häufig ist auch der Unterschied zwischen präventiver und vorausschauender Wartung nicht ganz trennscharf. So gibt es bspw. regelbasierte Wartungssysteme, die die Wartung zwar nicht nach übergreifenden Zeitintervallen, sondern anderen regelbasierten Systemen planen. Im Voraus werden hier bestimmte Schwellenwerte festgelegt, z. B. wenn eine Maschine heißer läuft als gewöhnlich oder die Lautstärke einer Anlage höher ist als empfohlen. Auch Zeitintervalle, die das Alter bzw. die Betriebsstunden von Anlagen zur Grundlage nehmen oder auch schlicht Erfahrungswerte von Techniker:innen sind vorausschauend, aber häufig nicht besonders präzise.
Predictive Maintenance mit KI
Hier entfalten sich die Möglichkeiten der vernetzten Industrie 4.0: durch flächendeckendes Condition Monitoring, also die kontinuierliche Überwachung des Zustands einer Maschine mittels Sensoren oder anderen Diagnosewerkzeugen. So können bspw. auch Schmierstoffe in Maschinen Aufschluss über ihren Zustand geben oder Ultraschallprüfungen durchgeführt werden, um Lecks festzustellen. Die hier gesammelten Daten werden dann sowohl in Datenbanken gespeichert und als zukünftige Referenzwerte gesichert und vor allem KI-unterstützt in Echtzeit ausgewertet. Dank Machine Learning können so ungewöhnliche Muster oder Abweichungen im Betriebsverhalten frühzeitig erkannt werden, die auf einen bevorstehenden Fehler hinweisen („Anomaly Detection“). Ggf. kann bei akuten Problemen eine Wartung veranlasst werden (Condition-Based Maintenance), eigentlich sollen dem Prinzip der Predictive Maintenance nach aber zukünftige Zustände und Ausfälle prognostiziert werden. Im Rahmen der Condition-Based Maintenance gewonnene Erfahrungen, können dabei helfen. Prescriptive Maintenance geht sogar noch einen Schritt weiter: Es sagt nicht nur vorher, wann ein Problem auftreten könnte, sondern gibt auch konkrete Handlungsempfehlungen, wie das Problem zu beheben ist.
Die Vorteile des Einsatzes von KI liegen also auf der Hand:
- Im Gegensatz zu regelbasierten Systemen, die auf festen Schwellenwerten beruhen, kann KI kontinuierlich lernen und sich an Veränderungen in den Betriebsbedingungen anpassen.
- KI-Systeme können rund um die Uhr Daten auswerten und benötigen keine manuelle Überwachung oder Eingriffe. Das spart Zeit und reduziert den menschlichen Aufwand.
- Und es spart Geld: Wartungsaktionen werden genau dann durchgeführt, wenn sie notwendig sind – nicht früher und nicht später. KI hilft auch bei der optimalen Planung von Ressourcen (wie z. B. Personal oder auch Ersatzteilen).
- Dank maschinellem Lernen können KI-gestützte Systeme riesige Mengen an Sensordaten in Echtzeit analysieren und auch sehr komplexe Muster und Anomalien erkennen, die von traditionelleren Methoden womöglich übersehen worden wären. Dabei verbessern sie sich kontinuierlich durch mehr Daten und Feedback aus tatsächlichen Ereignissen.
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Wie funktioniert Predictive Maintenance?
Sämtliche Maschinen sind mit den nötigen Sensoren und Messgeräten ausgestattet. Sind diese eingerichtet, vernetzt und betriebsbereit, geht es los:
- Alle relevanten Daten werden erfasst und digitalisiert.
- Die erfassten Daten werden an das System übermittelt, homogenisiert, das heißt unterschiedliche Arten von Daten für die Analyse nutzbar gemacht, und gespeichert.
- Die gesammelten Daten werden analysiert und überwacht: Das System berechnet entweder zu bestimmten Zeitpunkten oder kontinuierlich Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse und erstellt darauf basierend maßgeschneiderte Wartungspläne, die entweder in regelmäßigen Abständen (Batch bzw. Offline Learning) oder in Echtzeit (Online-Learning) umgesetzt werden.
Um die Vielzahl an erhobenen Daten zu analysieren, müssen diese also nicht nur sinnvoll erfasst, sondern auch so gespeichert werden, dass sie von den Systemen selbstständig und zuverlässig genutzt werden können. Dafür sind einige Schlüsseltechnologien notwendig:
Big Data
Predictive Maintenance erfordert die Verarbeitung und Analyse riesiger Datenmengen, die von Sensoren und anderen Quellen in Maschinen und Anlagen generiert werden. Big Data-Technologien sind entscheidend, um diese Datenmengen effizient zu speichern, zu verarbeiten und zu analysieren.
Je nach Anforderung und Anwendungsfall bieten sich unterschiedliche Datenbanktechnologien an: Während sich In-Memory-Datenbanken (IMDB) auf schnelle Datenverarbeitung konzentrieren, indem alle Daten im Arbeitsspeicher (RAM) gespeichert werden, zielen NoSQL-Datenbanken auf Flexibilität und Skalierbarkeit in verteilten Umgebungen ab. Deshalb bieten sich IMDBs für Echtzeitanwendungen besonders an.
Internet of Things
Das Internet of Things (IoT) ist essenziell für Predictive Maintenance, da es die Vernetzung von Maschinen und Sensoren ermöglicht, die kontinuierlich Daten in Echtzeit erfassen und an zentrale Systeme zur Analyse übermitteln. Dazu müssen Daten aus verschiedenen Quellen (Sensoren, historische Daten, Wartungsprotokolle) integriert und für die Analyse vorbereitet werden. ETL (Extract, Transform, Load)-Tools helfen dabei, diese Daten zu extrahieren, zu transformieren und in ein geeignetes Format zu laden. Cloud-Computing-Plattformen bieten die erforderliche Rechenleistung und Speicherkapazität, um große Datenmengen ortsunabhängig zu verarbeiten und maschinelles Lernen sowie Big Data-Analysen in großem Maßstab durchzuführen. Edge Computing spielt dabei eine wichtige Rolle, da es ermöglicht, Daten nicht in der Cloud, sondern direkt an der Quelle, also "am Rand" des Netzwerks, in der Nähe der Maschinen und Sensoren zu verarbeiten. Das reduziert die Latenzzeiten und den Datenverkehr zur Cloud, indem nur relevante Informationen und vorverarbeitete Daten zur zentralen Analyse weitergeleitet werden.
IT-Security
Die Instandhaltung als einen für den reibungslosen Betrieb von Anlagen unerlässlichen Prozess automatisiert und vernetzt digital zu koordinieren, macht auch auf neuen Wegen angreifbar – z. B. für Spionage oder Sabotage. Da Predictive Maintenance stark auf vernetzten Geräten und Cloud-Diensten basiert, ist Cybersicherheit unerlässlich, um die Integrität und Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten. Verschlüsselungstechnologien, Firewall-Lösungen und Security Information and Event Management (SIEM)-Systeme sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Daten vor ungewollten Zugriffen und auch vor Manipulation geschützt sind.
Herausforderungen
Neben den Sicherheitsrisiken gibt es auch noch andere Hürden beim Einsatz von Predicitve Maintenance: Einerseits erfordert die Implementierung hohe Anfangsinvestitionen, denn die Menge an Daten, die zu aussagekräftigen Prognosen führen soll, will zunächst gesammelt werden. Dafür müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden und das kostet. Auch die Vernetzung der Produktionsanlagen stellt eine große Herausforderung dar: Hier sollen häufig verschiedenartige Systeme miteinander operieren, deren Interoperabilität meist erst durch den Einsatz von Maschinen Controllern gegeben ist. So können die Daten dann an einem zentralen Knotenpunkt gesammelt und verarbeitet werden. Letztlich liegt ein ganz entscheidender Erfolgsfaktor in der Datenqualität: Erst wenn über einen signifikanten Zeitraum umfassende Maschinendaten zur Verfügung stehen, die sowohl den Normalzustand als auch Anomalien abbilden, damit kann das System Muster erkennen und Probleme identifizieren kann.
Welche Karrieremöglichkeiten hast Du als Ingenieur:in in diesem Innovationsfeld?
Predictive Maintenance ist ein interdisziplinäres Feld, das eine Vielzahl von Ingenieur:innen und Fachkräften mit unterschiedlichen Schwerpunkten benötigt. Als Maschinenbauingenieur:in hast Du bspw. eine Schlüsselposition inne, wenn es um die Überwachung, Analyse und Wartung von mechanischen Systemen in Anlagen und Maschinen geht. Du bist verantwortlich für die Implementierung der relevanten Sensortechnologien und arbeitest daran, Maschinenlayouts so zu optimieren, dass sie möglichst unkompliziert zu warten sind. Dabei hilft Dir Dein Wissen im Bereich der Mechanik und Thermodynamik, denn Du musst Deine Maschinen natürlich kennen und verstehen, um ihren Zustand zu überwachen. Deine Kenntnisse der Materialwissenschaften helfen Dir Verschleißprozesse zu sehen und Erfahrung mit CAD und FEM-Software sind wertvoll für die Modellierung und Analyse von Maschinenkomponenten.
Als Elektroingenier:in bist Du für die Integration und Wartung der elektronischen Komponenten verantwortlich, die die Basis von Predictive Maintenance bilden. Du entwickelst und installierst Systeme zur Echtzeitüberwachung. Um die richtigen Sensoren fachgerecht auswählen, kalibrieren und installieren zu können, benötigst Du fundierte Expertise in den Bereichen Sensorik und Messtechnik. Deine Kenntnisse der Steuerungs- und Regelungstechnik helfen Dir, die relevanten Systeme zu programmieren und weiterzuentwickeln. Du analysierst Signale aus Sensordaten und kannst wo nötig Filter und Verstärker implementieren. Auch Netzwerktechnik ist natürlich wichtig: Du verstehst genau, wie die Anlagen über industrielle Netzwerke und IoT-Protokolle miteinander verbunden sind.
Ansonsten sind natürlich besonders Fachkräfte an der Schnittstelle zwischen physischer und digitaler Welt gefragt: Als Ingenieur:in für cyber-physische Systeme ist das genau Dein Feld. Du kennst Dich aus mit Automatisierung und verstehst die Wechselwirkungen zwischen mechanischen, elektrischen und digitalen Komponenten. IoT ist genau Dein Ding und Du sammelst Erfahrung im Bereich der Embedded Systemen und deren Integration in größere IoT-Netzwerke.
In diesen Branchen bist Du besonders gefragt
Als wichtige Säule der Industrie 4.0 ist Predictive Maintenance ein relevantes Thema in vielen Branchen:
Nicht nur bei der Produktion von Fahrzeugen, sondern direkt im Fahrzeug kommt Predictive Maintenance zum Einsatz. Sensoren in Motor oder Fahrwerk sammeln kontinuierlich Daten, sodass teure Reparaturen frühzeitig vermieden werden können.Größere Probleme werden also z. B. vermieden, indem ein Fahrzeugteil bei Auffälligkeiten beim nächsten Werkstattbesuch repariert oder ausgetauscht wird. Vernetzte Fahrzeuge können Daten sogar automatisiert an die Werkstatt oder den Hersteller senden.
Hier sieht es ähnlich aus wie in der Automobilindustrie, mit dem Unterschied, dass ein Flugzeug, das nicht fliegt, ein noch deutlich größeres Problem darstellen kann, als ein Auto, das nicht fährt. Deshalb wird Predictive Maintenance hier bspw. in der Überwachung der Turbinen und hydraulischen Pumpen eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist die industrielle Datenplattform „Skywise“ von Airbus in Zusammenarbeit mit dem Technologieunternehmen Palantir. Skywise integriert eine Vielzahl von Datenquellen, darunter Sensordaten von Flugzeugen, Wartungsprotokolle und Betriebsdaten. Diese werden dann im Rahmen von Big Data-Analysen und maschinellem Lernen ausgewertet, um ganz präzise Vorhersagen über den Zustand von Flugzeugen zu liefern.
Hier wird Predictive Maintenance häufig bei Windkraftanlagen und anderen Energieinfrastrukturen eingesetzt. Durch die kontinuierliche Fernüberwachung von Sensoren, die Daten zu Vibrationen, Temperatur und Betriebszuständen erfassen, können Algorithmen frühzeitig Anomalien erkennen, die auf bevorstehende Komponentenversagen hindeuten. Das bietet bei Anlagen, die einerseits nicht immer ganz einfach zugänglich sind, wie z. B. Offshore-Anlagen, und andererseits witterungsbedingt besonders dynamisch verschleißen, deutliche Mehrwerte.
Predictive Maintenance gilt als eine der Schlüsseltechnologien der Industrie 4.0 als smarter, vernetzter Industrie. Hier hast Du als Ingenieur:in die Möglichkeit, Deine technischen Fähigkeiten mit modernster Technologie zu kombinieren, die Art und Weise, wie wir Maschinen warten und betreiben, nachhaltig effizienter und sicherer zu gestalten und damit ganz vorne dabei zu sein, bei der Industrie der Zukunft.
- Predictive Maintenance optimiert die Wartung von Maschinen, indem sie Ausfälle durch datengestützte Vorhersagen verhindert – flexibler und effizienter als starre Wartungsintervalle.
- KI-unterstützt analysiert das System riesige Sensordatenmengen in Echtzeit, erkennt Anomalien und ermöglicht maßgeschneiderte Wartungspläne.
- Schlüsseltechnologien wie IoT, Big Data und IT-Sicherheit spielen eine zentrale Rolle, um die Datenverarbeitung und -sicherheit zu gewährleisten.
- Ingenieur-Talente haben in diesem zukunftsträchtigen Feld besonders in Bereichen wie Maschinenbau, Elektrotechnik und cyber-physischen Systemen spannende Karrieremöglichkeiten.
Erfahrungen
Shruthi Podduturi, Projektingenieurin (Hochbau/Rückbau)Arbeitsmarkt
Climate TechErfahrungen
Robin Janßen, Senior Consultant