Smart Grids: Das intelligente Stromnetz
Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien steigt: Photovoltaik, Windkraft und andere Energiequellen sollen uns unabhängig von fossilen Energieträgern machen. Das ist zwar langfristig günstiger und schont den Planeten, bringt aber auch einige Herausforderungen an unser Stromnetz mit sich. Warum Smart Grids hier die Lösung sein sollen und was sie von unserem konventionellen Stromnetz unterscheidet, erfährst Du hier!
Was ist ein Smart Grid?
Smart Grid vs. Conventional Grid
Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns vor Augen führen, wie unser Energienetz heute funktioniert: Das klassische Stromnetz („conventional grids“) liefert - ganz grob gesagt - Energie von einigen wenigen Knoten, also den Kraftwerken, an viele Empfänger. Diese klare, einseitige Aufteilung passt aber schon heute nicht mehr zu unserer Energieversorgung. Denn jede private Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugt Strom und macht die Besitzer:in damit zum sog. „Prosumer“ – als sowohl zum Produzenten als auch zur Konsumentin.
Warum brauchen wir Smart Grids?
Ein weiterer Faktor ist das Wetter: Nachts wird natürlich eher kein Solarstrom erzeugt und bei Flaute wird es schwierig mit Windenergie. So wie das Wetter schwankt, schwankt also auch die Stromerzeugung. Während Kraftwerke gezielt dem aktuellen bzw. prognostizierten Strombedarf entsprechend gesteuert werden können, funktionieren Sonne und Wind natürlich unabhängig davon. Es gibt aber Zeiten, in denen nun mal mehr Strom gebraucht wird – und das wird in Zukunft womöglich noch zunehmen, wenn wir zum Beispiel alle mehr oder weniger gleichzeitig unser E-Auto nach Feierabend laden wollen.
Hier ist eine neue Lösung für unser Stromnetz gefragt: intelligente Stromnetze, also Smart Grids.
Quelle: Vattenfall
Wie funktioniert ein Smart Grid?
Das Geheimnis von Smart Grids ist (wie bei so gut wie allen anderen „smarten“ Technologien) die Echtzeitnutzung von Daten: Intelligente Stromnetze können nur deshalb so flexibel und effizient arbeiten, weil sie eine riesige Menge an Informationen sammeln, analysieren und daraufhin Entscheidungen treffen – und zwar innerhalb von Sekundenbruchteilen. Dafür nutzen sie verschiedene Schlüsselkomponenten.
Smart Meter
Im Zentrum eines Smart Grids stehen intelligente Stromzähler, sogenannte Smart Meter. Diese Geräte erfassen den Stromverbrauch in Haushalten, Unternehmen und Industriebetrieben in Echtzeit und senden diese Daten an das zentrale Netzwerk. Das heißt, das Messungsintervall für den konkreten Verbrauch verkürzt sich von monatlich oder sogar jährlich auf sekündlich.
Automatisierte Steuerungssysteme
Automatisierte Steuerungselemente optimieren dann anhand der so erfassten Daten das Netz, indem der Stromfluss dynamisch an die aktuelle Nachfrage und das Angebot angepasst wird. So kann z. B. an einem extrem sonnigen Tag, also wenn viel Solarstrom erzeugt wird, der Überschuss intelligent verteilt bzw. für schlechtere Zeiten gespeichert werden. Eine besonders „schlechte Zeit“ für Strom aus erneuerbaren Energien ist z. B. eine sog. Dunkelflaute, also wenn es sowohl dunkel als auch windstill ist und weder Wind- noch Sonnenenergie umgewandelt werden kann.
Phasor Measurement Units (PMUs)
Damit ein Smart Grid wirklich „smart“ ist, braucht es mehr als nur intelligente Zähler. Hier kommen Sensoren ins Spiel, die an verschiedenen Stellen des Netzes Daten über Spannung, Frequenz und andere Netzparameter erfassen. Neben PMUs gibt es auch SCADA-Sensoren (Supervisory Control and Data Acquisition), die zur Überwachung und Steuerung von Stromnetzen genutzt werden, aber eher für die Überwachung auf der Ebene von Umspannwerken und größeren Netzknotenpunkten zuständig sind.
Internet of Things
Die erhobenen Daten müssen dann natürlich zwischen den verschiedenen Komponenten ausgetauscht werden. Hier spielt das Internet of Things (IoT) eine entscheidende Rolle: Die Vernetzung aller Geräte, von den Smart Metern über die Netzsensoren bis hin zu Energiespeichern, ermöglicht eine nahtlose Kommunikation. Alle Informationen fließen in eine zentrale Steuerungsplattform, die die Daten mit Hilfe von Algorithmen auswertet und darauf basierend automatisch Entscheidungen trifft.
Datenanalyse
Der Schlüssel hierbei ist also ganz klar die Datenanalyse: Mit Methoden aus den Bereichen Big Data und maschinellem Lernen kann die Flut an erfassten Informationen genutzt werden. So können beispielsweise Verbrauchsmuster erkannt, Wetterdaten analysiert und Prognosen erstellt werden, die eine vorausschauende Netzsteuerung möglich machen.
Netzstabilität
Ziel eines Smart Grids ist es, Netzschwankungen in Echtzeit zu erkennen und darauf zu reagieren. Sobald bei der Überwachung des Stromflusses eine Abweichung zu den Sollwerten erkannt wird, greifen automatisierte Steuerungsmechanismen. Das können einfache Maßnahmen sein, wie das Zu- oder Abschalten bestimmter Energiequellen, aber auch komplexe Steuerungsaktionen wie das Umschalten auf dezentrale Energiespeicher. Ein weiterer Ansatz zur Stabilisierung ist das Demand Response Management (auf Deutsch auch als Laststeuerung bezeichnet), bei dem Verbraucher gezielt Anreize erhalten, ihre Nachfrage flexibel an das Angebot anzupassen.
Energiespeichersysteme
Du merkst: Eine große Herausforderung beim Bauen auf erneuerbare Energien ist die Frage, wie wir Strom nutzen können, auch wenn gerade keine oder zu wenig Energie gewonnen wird. Ein Weg trotzdem Netzstabilität zu gewährleisten, ist das Speichern von Energie, um so Angebot und Nachfrage zeitlich voneinander unabhängig zu machen. Ein weiterer Vorteil ist die Effizienz: Kurzfristige Überschüsse können gespeichert statt „abgeregelt“ (also ungenutzt vergeudet) werden. Und in die andere Richtung müssen Versorger nicht für jede Schwankung ein konventionelles Kraftwerk hochfahren, sondern es wird erstmal aus den gespeicherten Reserven Energie eingespeist. Eine weitere Möglichkeit, die sich durch Energiespeicher ergibt, ist die Sektorenkopplung: Gespeicherte Überschüsse aus dem Stromsektor werden für andere Anwendungen nutzbar gemacht. Stromüberschüsse können einerseits in Wärme (z. B. durch Wärmepumpen) oder perspektivisch auch mittels Wasserelektrolyse in Wasserstoff (Power-to-Gas) umgewandelt und später in Industrie oder Verkehr genutzt werden.
Für verschiedene Anwendungsbereiche bieten sich verschiedene Speichermöglichkeiten:
Energiespeicher im Haushalt
Wenn Du z. B. privat mit Deiner Photovoltaikanalage auf dem Dach tagsüber Strom erzeugst, möchtest Du den aber ja vielleicht auch z. B. abends zum Fernsehen nutzen. Für Privathaushalte eignen sich hier besonders kleine, dezentrale Speichersysteme, die Energie für die tägliche Nutzung bereitstellen. Gängige Technologien sind dafür z. B. Erdkollektoren, Wärmepumpen mit Wärmespeichern, Speicher-Wasserwärmer oder Batteriespeicher wie Solarbatterien. Auch Dein Elektrofahrzeug kannst Du prinzipiell als Stromspeicher nutzen: Mit Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) kannst Du Dein Auto an das Stromnetz anschließen und überschüssige Energie in die Fahrzeugbatterie einspeisen. Bei Bedarf kann das Auto den Strom ans Haus oder Netz zurückgeben.
Systeminfrastruktur: Speicher für das Stromnetz
Auch auf Systemebene gibt es Speichermöglichkeiten, die das Smart Grid stabilisieren und große Energiemengen verwalten: Pumpspeicherkraftwerke pumpen Wasser mit überschüssigem Strom in höher gelegen Speicherbecken. Bei Bedarf wird das Wasser dann wieder abgelassen, um Turbinen anzutreiben und so Strom zu erzeugen. In immer mehr Regionen kommen auch Lithium-Ionen-Großbatterien zum Einsatz. Die haben sehr schnelle Reaktionszeiten und sind deshalb wichtig, um möglichst schnell auf Änderungen im Netz reagieren zu können.
Energiespeicher für Industrie und Gewerbe
In der Industrie sind die Anforderungen an Energiespeicher oft größer und vielseitiger. Neben Großbatterien kommen hier zum Beispiel auch thermische Speicher zum Einsatz: Sie speichern Prozesswärme, die später in der Produktion wiederverwendet werden kann.
Smart Grids vs. Microgrids: Wo liegt der Unterschied?
Smart Grid und Microgrid sind zwei Konzepte, die manchmal synonym verwendet werden. Das ist so aber nicht ganz richtig: Ein Microgrid, oder auch Inselnetz, zeichnet sich dadurch aus, dass es regional ausgerichtet ist und autark funktioniert. Es ist also ein dezentrales Energienetz, das prinzipiell unabhängig vom Stromnetz funktioniert. Es kann ein Teil eines größeren Netzes, z. B. eines Smart Grids sein. Wird eine Stromleitung aus irgendeinem Grund unterbrochen, funktioniert der Teil des Microgrids aber weiterhin. Das heißt logischerweise auch, dass ein Microgrid-fähiger Teil eines Stromnetzes immer auch einen Stromerzeuger enthalten muss. So kann bspw. kritische Infrastruktur geschützt oder Regionen, die nicht so einfach an das reguläre Stromnetz anzuschließen sind, versorgt werden.
Smart Grids und Wärmepumpen: SG Ready als zukunftsweisende Kombination
Besonders im Zusammenhang mit Wärmepumpen wird das Smart Grid häufig als Zukunftstechnologie genannt. Kein Wunder, das Zusammenspiel beider Technologien soll zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Effiziente Stromverteilung und eine nachhaltige Energiezukunft. Eine Wärmepumpe wandelt Energie aus der Umwelt – etwa aus der Luft, dem Boden oder dem Wasser – in nutzbare Wärme für Gebäude oder Warmwasser um. In einem Smart Grid sind Wärmepumpen nicht mehr nur einfache Verbraucher, sondern werden zu flexiblen Akteuren, die sowohl Wärme erzeugen als auch das Netz unterstützen können. Die Bedingung: Die Wärmepumpe muss „SG Ready“, also Smart Grid Ready sein, das heißt die nötigen Schnittstellen und Steuerungsmöglichkeiten haben, um Teil des Smart Grids zu werden.
- Effizienter Betrieb: Bei hohem Stromangebot, etwa an sonnigen Tagen mit viel Solarstrom, können Wärmepumpen gezielt aktiviert werden, um Wärme zu erzeugen und in einem Pufferspeicher zu speichern. Diese Wärme steht dann auch in Zeiten zur Verfügung, in denen das Netz weniger Strom bietet.
- Netzstabilität: Auch hier kommt das Prinzip der Lastverschiebung (Demand Response) zum Einsatz: Wärmepumpen können so programmiert werden, dass sie zu Zeiten mit hoher Netzbelastung pausieren oder weniger Strom verbrauchen. Umgekehrt können sie in Zeiten niedriger Last oder hoher Energieproduktion zusätzliche Energie aufnehmen.
Aktuelle Jobs für Ingenieur:innen
- Berliner Wasserbetriebelngenieur:in Elektrotechnik - Schwerpunkt elektrische Energietechnik (w/m/d)BerlinElektrotechnik +1
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Karrierechancen im Bereich Smart Grids
Das Thema Smart Grids ist ein wichtiger Baustein beim Umstieg auf erneuerbare Energie – es ist aber noch einiges zu tun. Das heißt für Dich als Ingenieur-Talent: Hier gibt es viele spannende Karrieremöglichkeiten!
Jobs in diesem Bereich ergeben sich zum Beispiel in der Energiewirtschaft: Sowohl die Betreiber der Stromnetze, also die großen Energieversorger und Netzbetreiber, die sich um die Infrastruktur und die Netzstabilität kümmern, sind gute Anlaufstellen. Auch große Technologieunternehmen sind gefragt: Hier kannst Du an der Entwicklung intelligenter Technologien wie Smartmeter, Sensoren und Steuerungssystemen arbeiten. Oder Du steigst in der Industrie ein und planst Microgrids für Unternehmen mit hohem Energieverbrauch, z. B. in der Chemie- oder Automobilbranche.
Um im Bereich Smart Grids durchzustarten, sind die folgenden Studieninhalte besonders wichtig:
- Energietechnik: Du solltest Dich natürlich mit den Grundlagen der Stromerzeugung und -verteilung, im Bereich der erneuerbaren Energien und dem Netzmanagement auskennen.
- Elektrotechnik: Leistungselektronik, Sensorik, Regelungstechnik und elektrische Maschinen sind Dein kleines Einmaleins.
- Automatisierungstechnik und Steuerungssysteme: Du hast ein tiefergehendes Verständnis für smarte Steuerung und Prozessoptimierung.
- Informationstechnik und Datenanalyse: Smart Grids beruhen auf Echtzeitdaten, mit denen Du umgehen können solltest. Kenntnisse im Bereich Programmierung, KI, Datenbanken und IoT-Anwendungen sind hier also sehr hilfreich.
Letztlich kommt es aber natürlich wie immer darauf an, was genau Dein Einsatzfeld sein soll: Interessiert Dich besonders der Bereich Schnittstellenkommunikation? Dann solltest Du über Netzwerktechnik, bestimmte Protokolle und Cybersicherheit Bescheid wissen. Möchtest Du konkrete Smart-Grid-Infrastrukturen planen? Dann solltest Du Dich im Bereich Bauingenieurwissen auskennen. Dir geht es um die ökologischen Auswirkungen der neuen Stromnetze? Dann spezialisierst Du Dich wohl am besten im Bereich Umwelttechnik.
- Smart Grids modernisieren das konventionelle Stromnetz, indem sie dezentrale Energiequellen und schwankende Einspeisungen effizient integrieren und steuern.
- Echtzeitdaten von Smart Metern, Sensoren (z. B. PMUs) und IoT ermöglichen eine dynamische Netzsteuerung und präzise Anpassung an Angebot und Nachfrage.
- Smarte Steuerungen und Speicherlösungen wie Batterien und Wärmepumpen helfen, Netzschwankungen auszugleichen und Energie effizienter zu nutzen.
- Ingenieur-Talents sind in Bereichen wie Netzplanung, Technologieentwicklung und nachhaltiger Infrastruktur sehr gefragt
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