Vom Maschinenbau-Studenten zum Innovator in der Medizintechnik

Interview mit Co-Founder und Managing Director Kilian Reuß

Tim Lamkemeyer
Röntgenbild einer Hand

In seinem Podcast ROCKETENGINEERS spricht Lennard Hermann alle 2 Wochen mit erfahrenen Ingenieuren, Führungskräften oder Beratern über die wichtigsten Learnings auf ihrem Berufsweg. Lennard hat an der RWTH Aachen mit einem Zwischenstopp in Kanada Maschinenbau studiert und arbeitet aktuell als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Fertigungstechnik.

Kilian Reuß

Kilian Reuß

Diese Woche erfährst Du von Kilian Reuß, wie eine Firmengründung im Ingenieurwesen abläuft, wie Du für Dich herausfinden kannst, ob Du selbst das Zeug zum Gründer hast und wie Du im eigenen Unternehmen mit komplexen technischen Problemen umgehen solltest. Kilian hat an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Maschinenbau studiert. Inzwischen hat er gemeinsam mit seinem Kollegen Florian nach vielen verschiedenen Geschäftsideen das Unternehmen “Medical Magnesium” gegründet. Dort entwickeln sie resorbierbare Implantate für die orthopädische und unfallchirurgische Therapie.

Experten-Tipp: Wissenstransfer und Spezialisierung sind wichtiger, als alles über seinen Fachbereich zu wissen

ROCKETENGINEERS: “Was Ihr in Eurem Unternehmen macht, ist ja kein Alltagsprodukt, sondern Hightech – und in der Medizin- und Pharmaindustrie gibt es ja auch extrem hohe Anforderungen. Wie schafft man es, so ein Technologie-Unternehmen zu gründen? Wenn man aus dem Studium kommt, weiß man ja nicht direkt, wie man ein Magnesium-Implantat konstruiert und vermarktet. War die Einstiegshürde da nicht sehr groß?”

Kilian Reuß: “Das allerwichtigste ist, dass man sich dessen genau bewusst ist – dass man eigentlich nichts weiß. Der größte Fehler, den man machen kann, ist, mit einer Überheblichkeit da ranzugehen und zu sagen ‘Hey, das ist alles kein Problem, wir bekommen das schon hin.’ Bei uns ist es im Endeffekt eine Schraube, die wir herstellen und wie das funktioniert, habe ich irgendwann mal gelernt. Aber das Wichtige daran ist, weiteres Wissen einzuholen, es sich anzueignen und zu transferieren. Das ist wichtig, um erfolgreich ein Produkt zu formen.

Der zweite wichtige Punkt ist, Gespräche zu führen, die richtigen Leute zu finden. Alleine schafft man überhaupt nichts. [...] Nur durch Diskussionen mit Kliniken, mit dem akademischen Umfeld, mit der Produktionstechnologie, Oberflächentechnik, aber auch Medizintechnikfirmen wurde aus unserer groben Idee, Magnesium-Implantate zu formen, ein Plan, um ein sinnvolles Projekt zu bauen.

Das Vorwissen, das man da als Ingenieur mitbringt, ist eigentlich vollkommen irrelevant. Natürlich hilft es zu wissen, was ein Dreh-Fräs-Prozess ist, wenn jemand davon spricht, aber das Allermeiste ist solches Spezialwissen, dass die Uni überhaupt nicht in der Lage ist, das zu vermitteln.”

So setzt Du es um: Bezieh auch andere Ingenieur-Fachbereiche in Deine Innovationen mit ein

Nach dem Studium bist Du perfekt auf Deinen Job als Ingenieur vorbereitet – oder? So ganz stimmt diese Aussage nicht, aber die Studieninhalte legen den wichtigsten Grundstein für Deinen beruflichen Erfolg. Wenn Du neue Produkte, Dienstleistungen oder optimierte Abläufe erschaffen möchtest, reicht Dein Uni-Wissen allerdings nur in den seltensten Fällen aus, denn sonst hätte sicher schon jemand vor Dir genau diesen Roboter oder diesen Treibstoff entwickelt. Bei innovativen Projekten und Ideen ist es deshalb besonders wichtig, dass Du auch mal um die Ecke denkst, Dir überlegst, welche anderen Fachbereiche mit in Deine Vision hineinspielen und wie Du sie mit Deinem Wissen verknüpfen kannst.

Wenn Du Dich nach dem Studium etwa selbstständig machen möchtest, stehst Du dabei vor der großen Herausforderung, “Klinken putzen” zu müssen, um die passenden Forschungs-, Entwicklungs- oder Produktionspartner für Dein Produkt zu finden. Auch, wenn Du – zurecht – von Deiner Idee überzeugt bist, ist es nämlich oft schwierig, passende Partner zu finden. Dabei ist es auf der einen Seite wichtig, dass sie ebenfalls voll und ganz hinter Deinem Werkstoff, dem Antrieb oder der Drohne stehen, auf der anderen Seite hast Du als Jungunternehmer aber auch nur begrenzte Mittel zur Verfügung und musst deshalb darauf achten, dass z.B. eine Forschungskooperation nicht Deinen finanziellen Rahmen sprengt.

Aber auch wenn Du als angestellter Ingenieur in einem Unternehmen durchstarten willst, ist es oft sinnvoll, wenn Du Dich nicht nur auf Dein Fachgebiet fokussierst, sondern immer mal wieder nach links und rechts guckst, an welchen Fragestellungen Deine Kollegen gerade arbeiten. Wenn beispielsweise alle Ingenieure, Chemiker oder Physiker bei Deinem Arbeitgeber immer einen groben Überblick haben, woran die Kollegen gerade arbeiten, habt Ihr auch die Möglichkeit, direkt da einzuspringen, wo andere Probleme haben. Ihr könnt Euch auf diese Weise also gegenseitig dabei helfen, dort optimale Ergebnisse zu erzielen, wo ein Projekt ansonsten eventuell sogar gescheitert wäre. Um diesen optimalen Austausch aller MINT-Fachkräfte zu gewährleisten, könntest Du beispielsweise anregen, einen wöchentlichen Jour Fixe ins Leben zu rufen, bei dem jeder kurz erklärt,

  • an welchem Projekt er gerade arbeitet,
  • wie der Fortschritt seit dem letzten Treffen ist und
  • wo er Hilfe aus anderen Fachbereichen benötigt, um sein Arbeitsergebnis zu verbessern.

Das ganze Interview im Podcast anhören

Kilian Reuß ist gerade dabei, sein eigenes Unternehmen aufzubauen. In Folge 44 vom ROCKETENGINEERS Podcast erklärt er Dir, welche Gründe für ihn dagegen gesprochen haben, als angestellter Ingenieur in einem etablierten Unternehmen zu arbeiten, wieso Gründungen im Ingenieurwesen häufig schwieriger sind als in anderen Branchen und was Du mitbringen solltest, um ebenfalls erfolgreicher Gründer zu werden.